Beim Oktoberfest Westen: „Es wäre doch schön, wenn …“ – Die Idee zur Fähre kam beim Bier

Gasthaus Grotum in Westen – heute „Gasthaus zur Mühle“ – hier feierten die Oterser 1993 Oktoberfest.

„Es wäre doch schön, wenn es die alte Fähre wieder geben würde“ sagten ältere Mitglieder des Heimatvereins Otersen 1993 nach dem Besuch des Westener Oktoberfestes. Während der Rückfahrt vom Oktoberfest in Westen mit einem Schlauchboot über die Aller wurde in alten Erinnerungen geschwelgt – über die alte Fähre, die es zuletzt bis 1967 gegeben hatte. Aus dem „Es wäre doch …“ und dem „man müsste mal …“ vor 25 Jahren wurde gut 40 Monate später – am 1. Mai 1997 – tatsächlich Realität. 30 Jahre nach der Einstellung des Fährbetriebes (1967) wurde die Wiedereinrichtung des historischen Fährbetriebes und die Schiffstaufe der Solar-Allerfähre „Marie Hoffmann“ gefeiert. Gleich am 1. Fährtag am 1. Mai 1997 ließen sich 1.000 Fährgäste über die Aller setzen – und alles hatte „beim Bier im Gasthaus Grotum in Westen begonnen“ erinnern sich die Fährleute heute.

Der heutige Heimat- & Fährverein war erst Anfang 1992 gegründet worden. Hauptziel war die Erstellung einer Dorfchronik. Deshalb beschäftigte man sich in Otersen auch mit der Fähr-Historie. Der Westener Gastwirt Wolfgang Lühning, Inhaber des „Gasthauses Grotum“ in Westen veranstaltete 1993 im Saal ein zünftiges Oktoberfest, bei dem viele Oterser gerne mitfeiern wollten. Über die Allerbrücken in Verden oder in Rethem wollten die Feierlustigen aus Oteersen aber nicht gut 20 Kilometer weit nach Westen fahren. Kurzentschlossen wurde ein großes Schlauchboot der Feuerwehr Otersen genutzt, mit Fahrräder ging es nur 3 km bis zur Aller, mit dem Schlauchboot über den Fluss, zu Fuß über den Deich, wenige Schritte weiter in den Grotum Saal und schon waren die Oterser beim Oktoberfest. Nach ein paar Bierchen ging es Stunden später wieder zurück über den Fluss nach Otersen.

In der Bierlaune dann das schon erwähnte „Es wäre doch schön, wenn ….“. Am 25. September 1994 wurde dann ein 1. Fährtag durchgeführt – mit dem Feuerwehr-Schlauchboot als „Hilfs-Fähre“. Anlässlich dieser Veranstaltung veröffentlichte der Heimatverein eine dreiseitige Dokumentation für die Geschichte der Allerfähre seit 1820. Später stellte sich heraus, dass es die Fähre schon um 1600 gab. Auf der 4. Seite des DIN A 4-Faltblattes veröffentlichte der Heimatverein seine Ideen-Skizze für einen „Allertal-Radwanderweg“. Daraus wurde 4 Jahre später tatsächlich der heutige Aller-Radweg (Verden-Rethem) als 1. ausgeschilderter Radwanderweg im Landkreis Verden.

Und was wurde aus dem Fähr-Wunsch? Im September 1995 wurde ein Schlauchboot erneut eingesetzt: 39 Mitglieder des Heimatvereins setzten anlässlich des „Tag des offenen Denkmals“ über die Aller, um die Baudenkmäler Amtshaus und Windmühle zu besuchen. 1996 nahmen die konkreten Pläne für die Wiedereinrichtung der Allerfähre ihren Lauf. Zahlreiche behördliche Auflagen waren zu erfüllen, ehrenamtliche Fährleute mussten gewonnen werden, die Finanzierung mit EU-Zuschüssen und Spenden musste sichergestellt werden, bevor der AUCOOP-Werft auf dem ehem. Vulkan-Gelände in Bremen-Vegesack mit dem Bau des 6 m Eichenholz-Fährbootes beauftragt werden konnte. Baubeginn in Bremen war im Herbst 1996 – Fertigstellung im Frühjahr 1997.

Am 30.4.1997 wurde in Otersen der Aller-Radweg feierlich eingeweiht und anschließend folgte die Schiffstaufe der 1. Solar-Allerfähre Otersen-Westen. Am 1. Mai 1997 begann um 10.00 Uhr der 1. Fährtag. Das kleine Eichenholz-Fährboot war für 3.000 Fährgäste in jeder Fährsaison gebaut worden. Unglaublich: Gleich am 1. Fährtag – am 1. Mai 1997 ließen sich innerhalb von 8 Stunden über 1.000 Fährgäste über die Aller befördern …. „Es wäre doch schön, wenn es die alte Fähre wieder geben würde“ …. und wie schön: Über 115.000 Fährgäste sind seit dem 1. Mai 1997 von uns sicher über die Aller befördert worden – eine Erfolgsgeschichte sondergleichen – die 1993 beim Oktoberfest im Westener „Gasthaus Grotum“ bei „Schluck & Bier“ begann.

Das ehemalige „Gasthaus Grotum“ heißt heute „Gasthaus Zur Mühle“. Gasthaus-Eigentümer Ehler Lohmann ist Bio-Landwirt in Westen und seit einigen Jahren ehrenamtlicher Fährmann auf der Allerfähre, die immer noch mit Sonnenstrom und Elektromotor betrieben wird und „Marie Hoffmann“ heißt und an die letzte Fährfrau bis 1967 erinnert.

Vor wenigen Jahren war Vereinsvorsitzender Günter Lühning bei einer Fachveranstaltung in Berlin und hörte in Sachen Entwicklung von Dörfern im ländlichen Raum von einem Uni-Professor folgenden Satz: „Auf dem Lande entstehen viele gute Ideen beim Bier“. Günter Lühning musste schmunzeln und fühlte sich an das Oktoberfest 1993 in Westen erinnert – an die „Geburts-Idee“ für die heutige Solar-Allerfähre und ein dörfliches Fest.

 

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